Schlagwortarchiv für: 365-Euro-Ticket

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beaufragt, sich dafür einzusetzen, dass die Stadt Leipzig eines der 10 zusätzlichen Modellprojekte wird, durch die die Bundesregierung die Stärkung des ÖPNV (u.a. durch die Einführung von 365-Euro-Jahrestickets) unterstützen möchte.

 

Sachverhalt:

In ihrem Eckpunktepapier zum Klimaschutzprogramm, das die Bundesregierung am 20. September 2019 vorgestellt hat, ist bei den sektorbezogenen Maßnahmen unter dem Sektor Verkehr folgender Passus zu finden:

Modellprojekte für ÖPNV-Jahrestickets: Die Bundesregierung wird zusätzlich 10 Modellprojekte zur Stärkung der ÖPNV unterstützen, zum Beispiel die Einführung von 365-Euro-Jahrestickets.“

Da die Ratsversammlung die Stadtverwaltung mit Beschluss des Antrags „Finanzierung der Leipziger Mobilitätsstrategie und Einführung eines 365 Euro Tickets“ (VI-A-7130-NF-02) vom 15. Mai 2019 beauftragt hat, die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets zu verschiedenen Zeitpunkten zu prüfen und bis Ende des 1 Quartals 2020 ein entsprechendes Konzept vorzulegen, ist es sinnvoll, wenn sich die Stadt Leipzig darum bemüht, eines der durch die Bundesregierung geförderten Modellprojekte zur Stärkung des ÖPNV in Leipzig umzusetzen.

Zur Forderung des Ökolöwen, dass 365 Euro Ticket in den Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig aufzunehmen, erklärt Christopher Zenker, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat:

„Mit dem Nahverkehrsplan stellen wir die Weichen dafür, das Nachhaltigkeitsszenario umzusetzen. Wir wollen den ÖPNV deutlich attraktiver machen. Durch engere Taktzeiten, Haltestellenverdichtungen, Erhöhung von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bahnen und Bussen sowie mehr Sauberkeit im ÖPNV. Mit den Angebotsverbesserungen wollen wir die Fahrgastzahlen von 165 auf 220 Millionen Euro steigern und damit den Anteil des ÖPNV am Gesamtverkehr von 18 auf 23 Prozent erhöhen. Für diese ambitionierten Ziele ist es aus Sicht der SPD auch notwendig, die Fahrpreise deutlich zu senken. Unser Vorschlag ein 365 Euro Jahresticket. Der aktuelle Entwurf des Nahverkehrsplans verarbeitet das 365-Euro-Ticket für Leipzig noch nicht so, wie wir uns das wünschen. Er bleibt hinter dem Prüfauftrag zurück, den der Stadtrat im Mai beschlossen hat. Wir wollen daher, dass die aktuelle Beschlusslage besser im Nahverkehrsplan verankert wird. Hierzu werden wir auch das Gespräch mit anderen Fraktionen suchen.“

Henrik Fischer, Sprecher der Leipziger SPD für Stadtentwicklung & Umwelt ergänzt:
„Ein 365-Euro-Ticket ist für uns ein wesentlicher Baustein der Verkehrswende hin zu einer nachhaltigen Mobilität. Damit können wir nicht mehr warten, sondern müssen bald Nägel mit Köpfen machen. Der kommende Nahverkehrsplan ist entscheidend dafür, ob uns das gelingt, denn er gibt den Rahmen für eine Busnetzreform, neue Straßenbahnstrecken und –linien, die die notwendige Voraussetzung sind, um mehr Fahrgäste zu befördern. Deshalb muss das 365-Euro-Ticket eines der grundlegenden Ziele sein, das bei der Umsetzung des Nahverkehrsplan zu beachten ist.“

Hintergrundinformation:
Der Beschluss des Nahverkehrsplans ist für die Sitzung des Stadtrates am 04.09.2019 vorgesehen. Die Vorlage der Verwaltung befasst sich an zwei Stellen mit dem 365-Euro-Ticket (im Vorwort auf S. 2 und auf S.
70), ohne bei den Zielen oder Untersuchungsaufträgen relevant zu werden.
Die Diskussion um ein 365-Euro-Ticket beschäftigt Leipzig seit dem Februar 2019, als zunächst die SPD Leipzig diese Forderung in ihr Kommunalwahlprogramm aufnahm und kurz darauf der Ökolöwe seine Kampagne startete. In der Folge bekannten sich auch Die Linke und Bündnis 90 / Die Grünen zu der Forderung.
Im Mai Beschluss der Stadtrat mit den Stimmen von SPD, Die Linke und Bündnis 90 / Die Grünen einen gemeinsamen Antrag der Fraktion Die Linke und der SPD Fraktion im Leipzig Stadtrat, der einen umfassenden und zielgerichteten Prüfauftrag an die Verwaltung formuliert (VI-A-07130-NF-02).

Redner: Heiko Oßwald, Stellv. Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
liebe Gäste!

Die Probleme in allen deutschen Großstädten in Sachen Verkehr ähneln sich. Staus, schlechte Luft, Verbrauch von öffentlichen Flächen durch parkende Autos, um nur einige zu nennen. Dieselfahrverbote sind die Antwort in einigen Städten, wie Stuttgart oder Hamburg. Aber sind Dieselfahrverbote wirklich eine nachhaltige Antwort und bewirken diese überhaupt etwas?

In Leipzig haben wir mit dem Beschluss über das Nachhaltigkeitsszenario im September letzten Jahres die richtige Antwort gegeben, um den verkehrlichen Herausforderungen einer wachsenden Stadt zu begegnen und einmütig die Weichen in Richtung nachhaltige Mobilität gestellt. Wir werden viel mehr als bis jetzt in neue und bessere Fuß- und Radwege investieren und wir werden den ÖPNV deutlich attraktiver machen. Durch engere Taktzeiten, Haltestellenverdichtungen, Erhöhung von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bahnen und Busse sowie mehr Sauberkeit und Sicherheit im ÖPNV. Mit diesen Angebotsverbesserungen wollen wir die Fahrgastzahlen von 165 Mio auf 220 Mio. steigern und damit den Anteil des ÖPNV am Gesamtverkehr von 18 auf 23 Prozent erhöhen. Aber ob diese ambitionierten Ziele, auch angesichts eines geringeren Bevölkerungswachstums, allein durch Angebotserweiterungen und -verbesserungen erreicht werden können, ist fraglich. Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen ist in Leipzig immer noch deutlich niedriger als in anderen deutschen Großstädten. Attraktive Fahrpreise sind daher ein weiteres, wichtiges Kriterium, um die Bürger zum Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV zu bewegen.

Daher schlagen wir vor, das Nachhaltigkeitsszenario gemeinsam mit der Einführung eines 365 Euro Tickets umzusetzen. Bei diesem preiswerten Jahresfahrschein handelt es sich ausdrücklich nicht um ein Zwangsticket, welches alle bezahlen müssen, sondern um ein attraktives Angebot, das Auto stehen zu lassen und den ÖPNV zu nutzen. Dies soll für verschiedene Zeitpunkte bewertet werden, Erfahrungen von anderen Städten, die aktuell mit Fahrpreisermäßigungen arbeiten (z.B. Stuttgart 30 Prozent), sollen bei der Prüfung mit einfließen. Unser Antrag versteht sich ausdrücklich nicht als bloßer Prüfauftrag. Er gibt der Verwaltung klare Prüfschritte vor, deren Ergebnisse in die Konzepterstellung einfließen sollen. Wie viele Kunden können zusätzlich durch das 365 Euro Ticket gewonnen werden? Welche Angebotserweiterungen sind dadurch zusätzlich neben den bereits angedachten Maßnahmen nötig? Und zu welchen finanziellen Auswirkungen wird dieses Ticket führen, sowohl unmittelbar als auch investiv? Wenn man bedenkt, dass mit mehr Fahrgästen die Bahnen und Busse besser ausgelastet sind und diese schneller durch die Stadt kommen, dann haben wir auch gegenläufige finanzielle Effekte. 100 Fahrer lassen sich z.B. einsparen, wenn sich die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit um 1km/h erhöht. Hinsichtlich möglicher nötiger Angebotserweiterungen favorisieren wir im übrigen eine Busnetzreform, die schnell und preiswert umgesetzt werden kann, sowie ein Ausbau des S-Bahn Netzes, wozu wir mit unserem Antrag zur Prüfung eines S-Bahnrings einen konkreten Vorschlag bereits gemacht haben.

Wir wollen aber auch mit diesem Antrag die Verwaltung noch mal klar auffordern, die Umsetzung des Nachhaltigkeitsszenarios finanziell zu untersetzten, mit allen Auswirkungen auf die kommen Haushaltsjahre bzw. Wirtschaftsjahre bei der Stadt und der LVV Gruppe. Daher ist der mit dem Beschluss zur Mobilitätsstrategie eingeforderte Zeit- und Maßnahmeplan zur Priorisierung von notwendigen Investitionen noch zwingend dieses Jahr vorzulegen. Wir müssen jetzt wissen, welche personellen Ressourcen gebraucht werden, um die nötigen Planungsvorläufe zu schaffen.

Das Ticket wird aus Sicht meiner Fraktion sicherlich nicht schon 2021 kommen und es ist nicht allein durch die Stadt finanzierbar. Aber mehr und mehr setzt sich auch in Berlin und Dresden die Erkenntnis durch, dass die Klimaziele und die verkehrlichen Probleme in Großstädten nur durch eine massive Stärkung des Umweltverbundes möglich ist. Die Fördermittelsätze für Investitionen steigen (z.B. für Bahnen von 50 auf 90 Prozent), immer mehr Modellregionen für nachhaltige Mobilität werden gefördert. Und wenn sich diese Fördermittelkulisse durch Bund und Land deutlich verbessert, dann gewinnen wir auch Handlungsspielräume, um ein bezahlbares Jahresticket in Leipzig einzuführen. Damit deutlich mehr Menschen vom Auto auf den ÖPNV umsteigen und diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind, weiterhin gut durch die Stadt kommen.