Schlagwortarchiv für: Einbürgerung

Redner: Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender

Christopher Zenker
Christopher Zenker

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
werte Gäste,

in Deutschland sind an eine Einbürgerung hohe Voraussetzungen geknüpft. Aktuell: Mindestens acht Jahre rechtmäßiger, unbefristeter Aufenthalt in Deutschland, eine geklärte Identität und Staatsangehörigkeit sowie notwendige Sprachkenntnisse. Man muss u.a. den Lebensunterhalt für sich und seine Familie selbst bestreiten können, darf sich nichts zuschulden kommen lassen haben, muss das Bekenntnis zur unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung nachweisen, bereit sein, seine bisherige Staatsangehörigkeit abzulegen und so weiter und so fort.

Trotz dieser hohen Anforderungen schaffen wir es nicht, die Menschen mit Migrationsgeschichte, die diese Anforderung erfüllen, in einer angemessenen Zeit einzubürgern. Ich war immer, als Leipzig vor Corona seinen Empfang für die Neuleipzigerinnen und -leipziger ausgerichtet hat, stolz auf meine Stadt. Wir hatten mit jährlich 500-600 Einbürgerungen mit Abstand die meisten in Sachsen und haben das auch wie eine Monstranz vor uns her getragen. Nachdem ich vor der Sommerpause mehr und mehr Beschwerden über die langen Wartezeiten erhalten habe, kann ich das nicht mehr sagen. Denn die Ausländerbehörde hat über Jahre nicht das Personal bekommen, das notwendig war. Bei den Fällen, zu denen ich in der Ausländerbehörde angefragt hatte, beträgt die Wartezeit bis zu Erstberatung in einem Fall drei Jahre, also bis weit in das Jahr 2025 hinein. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn die Warteliste in Leipzig umfasst rund 3500 Fälle, es dauert beim aktuellen Personalbestand also bis zu 7 Jahren bis eine Entscheidung da ist.  

Wir rühmen uns damit, weltoffen zu sein und nutzen dies sogar in Werbevideos der Stadt. Wir feiern uns, wie kürzlich nach der Delegationsreise nach Vietnam, damit, Fachkräfte im Ausland einzuwerben. Fachkräfte für inzwischen fast die gesamte Bandbreite unserer Wirtschaft. Ohne diese Fachkräfte wäre auch unsere Wirtschaft in Leipzig längst zusammengebrochen, vor allem der Gesundheitssektor. Und dennoch behandeln wir diese Menschen wie Menschen zweiter Klasse. Das Versprechen, sich bei uns ein neues Leben aufbauen zu können, geben wir mit unserer Einbürgerungspolitik nicht ab. Das grenzt an modernen Kolonialismus. Wir treten unsere, hier im Stadtrat beschlossenen strategischen Ziele, „Leipzig stärkt seine Internationalität” und „Leipzig besteht im Wettbewerb“, mit Füßen.

Sehr geehrter Herr Rosenthal, sehr geehrter Herr Jung,

sie merken, ich bin bei dem Thema sehr emotional. Das liegt auch daran, dass wir selber verantwortlich sind. Über Jahre ist die Bugwelle, die wir bei den Einbürgerungen vor uns herschieben, größer geworden und es wurde nichts getan. Es wurde weggeschaut und der Stadtrat wurde nicht informiert. Durch unser Agieren stoßen wir jenen Menschen vor den Kopf, die zum Arbeiten, der Liebe wegen oder durch Flucht vor Krieg und Vertreibung nach Leipzig gekommen sind, sich hier ein neues Leben aufgebaut haben und sich heimisch fühlen. Wir geben ihnen dadurch, trotz ihrer Bemühungen, das Gefühl, nicht dazu zu gehören. Das beschämt mich.

Ich bin froh, dass die Stadtverwaltung nach öffentlichen Debatten und nach mehreren Anträgen endlich reagiert und das Personal noch in diesem Jahr aufstocken möchte. Schade dass man nicht selber auf die Idee kommt. Diesen Punkt übernehmen wir aus dem Verwaltungsstandpunkt. Wir erwarten jedoch, dass auch Abläufe optimiert werden, die Ausländerbehörde ggf. umgebaut wird und dass die zuständigen Ausschüsse und der Migrantenbeirat zukünftig regelmäßig über den Stand der Abarbeitung informiert werden. Abschließend erwarten wir noch im Januar die Information, bis wann mit dem zusätzlichen Personal der Stau abgearbeitet ist, denn nur so können wir entscheiden, ob wir unseren Haushaltsantrag als erledigt betrachten.

An dieser Stelle noch ein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Herrn Ermisch in der Ausländerbehörde, die trotz zu wenig Personal jährlich deutlich mehr Einbürgerungen schaffen als Dresden.

Beschlussvorschlag:

  1. Der Oberbürgermeister prüft bis Ende 2022 die Einrichtung einer Organisationseinheit in der Ausländerbehörde, die allein für Einbürgerungsverfahren zuständig ist. Die Stadtverwaltung informiert den FA Umwelt/Klima/Ordnung sowie den Migrantenbeirat über das Ergebnis der Prüfung und erläutert dabei auch das weitere Vorgehen.
     
  2. Im Ordnungsamt werden zum 01.12.2022 fünf VzÄ für die Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen, gem. § 77 Abs. 3 Nr. 7 SächsGemO, unbefristet eingerichtet.
     
  3. Um abschätzen zu können, ob die zum 01.12.2022 geschaffenen fünf VZÄ ausreichend sind, legt die Stadtverwaltung bis Ende Januar 2023 einen Zeitplan vor, in welcher Frist die aufgelaufenen Altfälle abgearbeitet werden können, wobei berücksichtigt werden muss, dass durch hinzukommende Neufälle kein erneuter Bearbeitungsstau entsteht.
     
  4. Die Stadtverwaltung legt bis Ende 1. Quartal 2023 ein Konzept vor, wie die Personalintensität pro Einbürgerungsvorgang reduziert werden kann. Hierbei soll unter anderem geprüft werden, ob und wie auf die aktuell obligatorischen, zeit- und somit personalintensiven Beratungstermine für Einbürgerungswillige, verzichtet werden kann oder wie diese mindestens teilweise durch Gruppentermine ersetzt werden können. Ferner soll untersucht werden, ob für Routineaufgaben, die keine besonderen Fachkenntnisse erfordern, beispielsweise Hilfskräfte eingesetzt werden können. Bei der Erarbeitung und Fortentwicklung dieses Konzepts wird auf die der Fachausschuss Umwelt/Klima/Ordnung sowie der Migrantenbeirat eingebunden werden.
     
  5. Der Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung sowie der Migrantenbeirat werden halbjährlich über den Stand der Bearbeitung von Einbürgerungsgesuchen informiert.

Begründung:

Nach unseren Informationen sind in Leipzig über 3000 Einbürgerungsgesuche noch nicht bearbeitet und entschieden worden. Wie den Statistiken entnommen werden kann, werden werden in Leipzig jährlich etwa 500-600 Menschen eingebürgert. Rein rechnerisch würde es also über fünf Jahre dauern, die noch offenen Einbürgerungsgesuche abzuarbeiten. Dabei sind regelmäßig neu hinzukommende Anträge nicht berücksichtigt.

Für die Ausländerbehörde, die neben neuen Einbürgerungsanträgen schon jetzt diese hohe Zahl von Altfällen bearbeiten muss, heißt das, dass Einbürgerungswillige über Jahre vertröstet werden müssen, weil die personellen Ressourcen fehlen, die Menschen im Vorfeld zu beraten, geschweige denn die Anträge zeitnah zu bearbeiten. Bei weiter steigenden Fallzahlen werden die Wartezeiten ebefalls weiter steigen, wenn nicht gegengesteuert wird.

Neben einer Zuführung von zusätzlichem Personal ist es deshalb notwendig, auch verschiedene Prozesse innerhalb der Ausländerbehörde zu überprüfen, um hier Möglichkeiten einer Reduktion der Personalintensität in den Antragsverfahren oder einer Entlastung der Sachbearbeiter bei Routineaufgaben durch Hilfskräfte zu eruieren. Beispielsweise könnte womöglich auf die obligatorischen Beratungstermine für Einbürgerungswillige verzichtet oder diese so organisieren werden, dass sie als Gruppentermine stattfinden, wenn die Rahmenbedingungen es erlauben, denn häufig geht es vor allem um Unterlagen, die für ein Einbürgerungsgesuch beigebracht werden müssen.

Beschlussvorschlag:

  1. Der Oberbürgermeister prüft bis Ende 2022 die Einrichtung einer Organisationseinheit in der Ausländerbehörde, die allein für Einbürgerungsverfahren zuständig ist.
     
  2. Die betreffende Organisationseinheit der Ausländerbehörde wird bis Mitte 2023 personell und technisch so ausgestattet, dass Einbürgerungsgesuche durchschnittlich binnen sechs Monaten bearbeitet werden können. Die Mitarbeiter sollen räumlich so untergebracht werden, dass Abstimmung und Kommunikation innerhalb der Organisationseinheit unkompliziert möglich sind.
     
  3. Darüber hinaus werden dem aktuellen Sachgebiet„Asyl / aufenthaltsbeendende Maßnahmen / Einbürgerung“ (OE 32.72) temporär so viele VZÄ zugeführt, dass der Antragsstau der letzten Jahre innerhalb des Jahres 2023 abgearbeitet und die vorliegenden Altfälle entschieden werden können.
     
  4. Der Fachausschuss Umwelt/Klima/Ordnung wird halbjährlich über den Stand bei der Bearbeitung von Einbürgerungsgesuchen informiert.

Begründung:

Nach unseren Informationen sind in Leipzig über 3000 Einbürgerungsgesuche noch nicht bearbeitet und entschieden worden. Jährlich werden in Leipzig etwa 500-600 Menschen eingebürgert, wie den Statistiken entnommen werden kann. Rein rechnerisch würde es also über fünf Jahre dauern, die noch offenen Einbürgerungsgesuche abzuarbeiten. Dabei sind regelmäßig neu hinzukommende Anträge nicht berücksichtigt.

Wer seit acht Jahren dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebt, hat unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung. In Anbetracht des Wachstums der Stadt auch durch Zuwanderung inkl. der Fluchtbewegungen der vergangenen Jahre, werden in den nächsten Jahren deutlich mehr Menschen die zeitlichen Kriterien erfüllen, um eine Einbürgerung beantragen zu können. Zu den Kriterien gehören unter anderem:

  • Ein unbefristetes oder auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung,
  • eine geklärte Identität und Staatsangehörigkeit,
  • das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes,
  • grundsätzlich die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit,
  • mündliche und schriftliche deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B 1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen,
  • ein Nachweis über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (Einbürgerungstest),
  • die Fähigkeit zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts für sich und die unterhaltsberechtigten Angehörigen,
  • die Gewährleistung der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse, insbesondere keine Verheiratung gleichzeitig mit mehreren Ehegatten sowie
  • keine Verurteilung wegen einer Straftat.

Für die Ausländerbehörde, die neben neuen Einbürgerungsanträgen schon jetzt eine hohe Zahl von Altfällen bearbeiten muss, heißt das, dass Einbürgerungswillige über Jahre vertröstet werden, weil die personellen Ressourcen fehlen, die Menschen im Vorfeld zu beraten, geschweige denn die Anträge zeitnah zu bearbeiten. Viele Betroffene warten bereits jetzt schon mindestens ein Jahr, um nach einer Antragstellung einen Termin für ein Beratungsgespräch zu bekommen. Bei weiter steigenden Fallzahlen werden die Wartezeiten weiter steigen, wenn nicht gegengesteuert wird. Allerdings war der Wille zum Gegensteuern und zur besseren personellen Ausstattung der Ausländerbehörde in den vergangenen Jahren nicht zu erkennen. Aus diesem Grund halten wir es für notwendig, die Ausländerbehörde personell zu stärken und bestenfalls eine eigene Organisationseinheit zur Bearbeitung von Einbürgerungen einzurichten. Aus unserer Sicht ist das Teil der Willkommenskultur in Deutschland und entspricht den strategischen Zielen der Stadt, wie „Leipzig stärkt seine Internationalität” und „Leipzig besteht im Wettbewerb“, weil sich durch zügige Einbürgerungen auch Perspektiven für die Fachkräftesicherung und die Fachkräftegewinnung ergeben. Durch die lange Bearbeitungszeit von Einbürgerungen verlieren wir Fachkräfte in Richtung anderer Kommunen, in denen das deutlich schneller und zielgerichteter läuft.

Über 3000 Einbürgerungsgesuche liegen aktuell bei der Leipziger Ausländerbehörde vor und es kommen regelmäßig neue hinzu. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort schaffen jedoch nur 500 bis 600 Fälle pro Jahr zu bearbeiten, wie sich aus den statistischen Berichten der Stadt herauslesen lässt. Es dauert deshalb oft über ein Jahr, bis Einbürgerungswillige überhaupt einen Termin für ein Beratungsgespräch bekommen. Die Leipziger SPD-Fraktion setzt sich deshalb für eine Beschleunigung der Bearbeitungszeiten ein.

Christopher Zenker
Christopher Zenker

„Der Ablauf von Einbürgerungsverfahren ist klar geregelt und es gibt klare Kriterien, wer die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen kann und wer nicht. Dass Einbürgerungsinteressierte, angesichts der Wartelisten, über ein Jahr auf einen Termin für ein Erstgespräch warten müssen und sich bei einer Warteliste von über 3000 Personen auf eine mindestens fünfjährige Wartezeit einstellen müssen, ist für uns ein unhaltbarer Zustand. Weltoffenheit und Integrationswille seitens der Kommune sehen anders aus“, erklärt Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender. „Eine Beschleunigung des Verfahrens ist also nur durch eine bessere personelle und technische Ausstattung der Ausländerbehörde möglich. Die Stadtverwaltung muss daher umsteuern und zwar sofort.“

Die SPD-Fraktion hat deshalb einen Antrag ins Verfahren gebracht, mit dem erreicht werden soll, dass die personelle und technische Ausstattung des für die Einbürgerungen zuständigen Sachgebiets in der Ausländerbehörde so gestaltet wird, dass Einbürgerungsgesuche binnen sechs Monaten bearbeitet und entschieden werden können. Darüber hinaus sollen dem Sachgebiet temporär zusätzliche Mitarbeiter zugeordnet werden, um die über 3000 Altfälle im Laufe des kommenden Jahren bearbeiten und abschließen zu können.

„Aus unserer Sicht ist das Teil einer guten Willkommenskultur und entspricht zudem den strategischen Zielen der Stadt, wenn durch zügige Einbürgerungsverfahren auch bei Fragen der Fachkräftesicherung und die Fachkräftegewinnung neue Perspektiven möglich werden“, erklärt Christopher Zenker und ergänzt abschließend: „Durch lange Bearbeitungszeiten bei Einbürgerungen verlieren wir Fachkräfte in Richtung anderer Kommunen, in denen das deutlich schneller und zielgerichteter läuft.“


Infoblock:

Neben einem unbefristeten Aufenthaltsrecht müssen Einbürgerungswillige verschiedene Voraussetzungen erfüllen, um die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten zu können. Dazu gehören eine geklärte Identität, das Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, gute Sprachkenntnisse, ein eigenständig gesicherter Lebensunterhalt sowie grundsätzlich die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit und es darf keine Verurteilung wegen einer Straftat vorliegen.